Das ist er, der Rätselspecht. Warum rätselhaft? Mit einem genaueren Blick auf das Bild oben wird man feststellen, dass die Verbindung zwischen Bartstreif und Nacken unterbrochen ist. Das ist eigentlich ein Kennzeichen des Blutspechts, der erst kürzlich zum ersten Mal in Deutschland sicher festgestellt werden konnte (vgl. meine Artikel hier, hier, hier und hier).
Allerdings macht ihn dieses leider noch nicht zum zweiten nachgewiesenen Blutspecht Deutschlands, denn eine Reihe anderer Merkmale sprechen eindeutig gegen einen artreinen Vertreter dieser Spezies, so z.B. das wenig ausgeprägte Rot am Nacken. Daher wurde ich vor ein paar Tagen gebeten, einen Blick auf den Vogel zu werfen.
Anhand der ersten Belegbilder ließ sich der Specht leider noch nicht sicher einordnen, aber grundsätzlich schien ein Hybrid möglich. Ein solcher müsste jedoch noch weitere intermediäre Kennzeichen aufweisen und genau deshalb bin ich dem Vogel am Samstag und Sonntag nachgegangen, um das abzuklären und ggf. bessere Bilder anzufertigen.
Nach gut 90 Minuten beim ersten Versuch und 30 Minuten beim zweiten Versuch gelang es mir den Rätselvogel im Luisenhain in Bamberg aufzuspüren. Die Lichtverhältnisse waren in beiden Fällen nie ganz optimal, aber trotzdem zeigte sich der Vogel schön und ich konnte so einen Blick auf alle Körper- und Gefiederteile werfen.
Auf Basis meiner eigenen Beobachtungen und Bilder bin ich mittlerweile - wie andere Beobachter auch - zu dem Schluss gekommen, dass es sich "nur" um einen aberranten Buntspecht und nicht um einen Hybriden handelt. Aber alles der Reihe nach:
Einschlägigstes Argument für eine Blutspecht-Beteiligung war die fehlende Verbindung von Nacken und Wangenstreif. Wie man auf den ersten beiden Bildern erkennen kann, hört dieser dunkle Streif kurz vor dem Nacken auf. Bei den meisten Blutspechten wäre der Abstand zwar größer, aber so könnte man sich grundsätzlich ein intermediäres Kennzeichen vorstellen. Allerdings putzte sich der Specht kurz darauf und schüttelte sich dabei einige Male. Dabei wurde eine kleine Brücke zwischen Nacken und Wangenstreif erkennbar, die zuvor durch die helleren Federn verdeckt war (siehe Bild oben). Ob das normal ist und noch im Rahmen eines Hybriden liegt, weiß ich nicht, aber eindeutig ist es in keinem Fall.
Auf den drei Bildern weiter oben spreizt der Specht schön seine Flügel und so kann man erkennen, dass auf den HS fünf weiße Abzeichen zu erkennen sind, die fünf Flügelbinden ergeben. Nach einem bisherigen Literaturabgleich sollen Blutspechte größere Abzeichen besitzen, die jedoch nur drei Flügelbinden ergeben sollen. Ein klares Kontraargument also.
Qualitativ mag das Bild nicht viel hergeben, doch es ist eine der wenigen Rückenansichten, die ich von dem Vogel habe. Dabei sind die Schwanzfedern sehr schön zu sehen, vor allem die beiden äußersten Federn, welche vorrangig weiß sind und somit außerhalb der Variationsbreite eines Blutspechts liegen. Dessen Schwanzgefieder würde nur wenige weiße Abzeichen auf den äußersten Federn aufweisen.
Knapp über dem Schnabel lassen sich auf diesem Foto auch die typischen schwarzen "Bartfedern" ausmachen, die beim Blutspecht hell wären.
Zum Schluss gibt es noch den bereits erwähnten roten Nackenfleck als Kriterium, der sowohl bei Blut- als auch bei Buntspecht nur beim Männchen vorkommt. Bei diesem Merkmal gibt es wahrscheinlich eine gewisse Variationsbreite, jedoch kann man auf dem zweiten und dritten Bild erkennen, dass das Rot auf den Nacken begrenzt ist und nicht weiter reicht, also für einen Buntspecht spricht.
Auch das Rot am Steiß ist einen Blick wert, dieses ist beim Blutspecht nämlich weniger intensiv. Das ist zwar nicht leicht zu beurteilen, da es von den Lichtverhältnissen abhängig ist, aber mir scheint das Rot bei diesem Vogel schon recht kräftig zu sein.
Damit sind die meisten Kennzeichen tatsächlich pro Buntspecht, während nur ein einziges auf eine mögliche Blutspecht-Beteiligung hinweisen könnte. Daher erscheint mir ein Hybrid unwahrscheinlich, v.a. nachdem ich im Internet auf diesen Blogbeitrag gestoßen bin. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass es sich bei "unserem" Specht genauso verhält.
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Katharina Richter (Montag, 19 Dezember 2016)
Das ist ja ein Ding. Er wirkt zwar von vorneherein viel mehr wie ein Buntspecht, aber da wäre mir das Herz kurzzeitig in die Hose gerutscht.
Leider scheinen im Jahresverlauf keine neuen Blutspecht- oder Hybridsichtungen hinzugekommen zu sein und der Kronacher Specht ist seit dem Frühjahr verschollen. Ich möchte übrigens anmerken, dass seine Unterschwanzdecken auch recht kräftig rot waren, gar nicht so viel weniger als bei diesem Rätselspecht. Also warten wir weiter - ich tippe inzwischen darauf, dass die nächsten Blutspechte eher über den Donauraum kommen werden.
Liebe Grüße und viele weitere schöne Beobachtungen!